Freitag, 22. Januar 2021

Forumtheater aus den Themen der Teilnehmenden: Tabu und Grenzen

Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal auf Grundlage der Bewusstseinsbildung und der Befreienden Pädagogik von Paulo Freire als Kritische Praxis zur kritischen Theorie.

Grundlagen:

  • Statuen bauen
  • Generative Themen
  • Forum-Themen vorschlagen
  • Szenen entscheiden und entwickeln
  • Szene durchspielen und Ablauf verfestigen
  • Charaktere in Übungen vertiefen und sichern

Forum war immer schon eine Runde ... im Gespräch

Die feste Bestuhlung macht leider aus vielen Theatern einen Vortragssaal, und immer, wenn alle einer Person zuhören sollen, werden automatisch alle Stühle im Raum wie in einem Kino aufgestellt, in Reihen.

Mit Hinterköpfen kann ich nicht sprechen. Stühle im Kreis machen manchen Leuten Angst:
Du siehst alle, alle sehen dich.

Eins meiner schönsten Erlebnisse:

Im Senatssaal des Bayrischen Landtags bauten wir für einen Forum-Theater-Abend die Bühne an der Seitenwand, und die Mitarbeitenden des Landtags begannen, unseren Aufbau zu fotografieren und notieren:
Das hatten sie noch nie erlebt, das wollten sie zuerst auch nicht erlauben aber jetzt gelegentlich auch für andere Veranstaltungen versuchen.
Während dem späteren Umbau des Plenarsaales HERRSCHTE dann aber wieder die frontale, angeblich feuerpolizeilich ausgerichtete Ordnung.

Theater im Forum kann unsere Themen in ein Gespräch bringen:

Nix für Einzel-Vortanz-Künstler!

Sie entstehen immer neu aus den generativen Themen der Teilnehmenden,
und oft als Antwort auf eine schlichte Frage: Was hat dich zuletzt geärgert?
Wo fühlst du dich am meisten unter Druck?
Wie ist für dich eine typische Haltung von "Unter Druck sein"?

Aus einer einzelnen Statue kann eine dialogische Szene entstehen,
wenn wir ein Gegenüber hinzufügen, vielleicht in mechanischer Reaktion andauernder Wiederholung.

Wenn die Szene klar und verständlich ist, wird das Publikum sofort darauf reagieren.
Dafür brauchen wir manchmal Hinweise des Joker, (bzw. dieser vorher die Information der aufstellenden Person), auf welchen kulturellen Denk-und Sprachhorizonten die Situation entstanden ist: Alter, Rolle, Bindungen, Verbote, ...


Das Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten, entwickelt von Augusto Boal, Rio de Janeiro.
Es stellt dem Publikum eine Szene vor, die schlecht und unbefriedigend endet. Eine Joker-Figur ermutigt das Publikum, diese Szenen im Dialog zu einem besseren Ende zu bringen.

Im Forumtheater werden vor allem durch zugespitzte "Modellszenen" Fragen aufgeworfen. Die Modelle werden meist in offenen Workshops aus den generativen Themen der Teilnehmenden entwickelt.

Zusehende können sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspielenden, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen. Hier geht es um die Antworten auf Fragen: was würde ich in der dargestellten gespielten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die Szenen verändern? Forumtheater als (ästhetisches) Training für zukünftiges Handeln in brisanten Konfliktsituationen.

Mit dem Forumtheater kann jede Problemstellung der Teilnehmenden - von diesen ausgesprochen und ins Bild gebracht - von ihnen selbst durch das Spiel der anderen distanziert - durch das identifizierende Handeln des Publikums verändert werden.


Bei Paulo Freire in der Pädagogik der Unterdrückten sind generative Themen die Themen der Lernenden und Teilnehmenden im gemeinschaftlichen Prozess, die Hinweise geben auf die Hintergründe ihrer Lebens-Situationen und Interessen. 


Ausführliche Darstellung mit Beispielen in der Bewusstseinsbildung

Meine nun leicht überarbeitete Version 26. Jun. 2004 in Wikipedia,
dorthin führen auch die meisten dieser Links.
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Bild von http://www.theatreoftheoppressed.org - dort war früher ein ausführlicher englischer Text, vielleicht noch bei Joel? 

 Tabu und Grenzen

Bei der Anleitung von hunderten Workshops zum Forumtheater nach Augusto Boal mit den verschiedensten Gruppen von Schulklassen bis Pfarrern entstand im Lauf der Jahre meine eigene Sammlung: Die Arbeit am Tabu war Tabu:

Die Arbeit am Tabu – meine Faustregel entstand aus der Praxis mit Gruppen:

Jede Gruppe braucht eine Phase der Aufwärmung und des Vertraut Werden, in der ich die ersten Arten des Arbeit am Ausdruck, an der Körperwahrnehmung und an der Arbeit mit Partner*n in zweier- dreier und fünfer- Konstellationen in Abwechslung mit der Gesamtgruppe (die bei guten Räumen auch mal bis zu 40 gehen konnte) abwechsle und für eine lockere Stimmung sorge.

Aber irgendwann brauchen wir Themen der Unterdrückung, die verändert werden sollten, und da gab es Phasen, in denen niemand ein Thema einbringen wollte. Zu wenig Vertrauen oder zu wenig Erfahrung?

Wenn die Gruppe eine fachlich ausgebildete wie in sozialer Arbeit, Jugendleitende, Lehrkräfte und Lehrschwestern, Psychotherapeut*innen etc. waren, die selbst als Theater-Anleitende arbeiten wollten, verriet ich ihnen den geheimen Katalog der Tabus als Orientierung, den nicht alle sonstigen kurz Teilnehmenden wissen mussten:

Theater wird nur interessant, wenn es die Tabus der Gesellschaft im Dilemma auf die Bühne bringt:

Die Faustregel steht auf Die Arbeit am Tabu, hier mehr die gesellschaftlichen Hintergründe: Und bitte: TABU!

 

 

 

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