Montag, 14. Juni 2021

Alphabetisierung und Paulo Freire: Yo Sí Puedo auf Cuba von Ruth Ratcliffe

 

Ruth RatcliffeUniversity of Newcastle Graduate Student

www.academia.edu/11213657/Functional_and_Critical_Literacy_in_Yo_Sí_Puedo
_An_examination_of_Cuba_s_Literacy_Program_Through_a_Freirean_Lens

Das Alphabetisierungsprogramm für Erwachsene Yo Sí Puedo hat schätzungsweise 5 Millionen Menschen, überwiegend, aber nicht ausschließlich im Globalen Süden, das Lesen und Schreiben beigebracht, doch ist bemerkenswert wenig über diese verschiedenen Kampagnen geschrieben worden.

Diese Forschung stützt sich auf die Arbeiten von Paulo Freire, um sowohl die bahnbrechende kubanische Nationale Alphabetisierungs-Kampagne von 1961 als einen bedeutenden Einfluss auf YSP als auch die akademische Literatur zu zeitgenössischen YSP-Kampagnen in 4 verschiedenen Umgebungen zu analysieren: Bolivien, Timor Leste, Aotearoa, Neuseeland und Australien. 

Ein Freire-Rahmen, der die Wechselbeziehungen zwischen Unterdrückung, Befreiung und Bildung hervorhebt; dialogische und problemorientierte Bildung und eine spezifische Form der Bewusstseinsbildung im sozialen Kampf werden verwendet, um die YSP-Kampagnen zu analysieren und eine Reihe von Schlussfolgerungen zu ziehen, wie YSP sowohl in Bezug auf traditionelle Modelle funktionaler Alphabetisierung als auch in Bezug auf ihre Fähigkeit, zu einer Form beizutragen, charakterisiert werden kann kritischer und transformativer Kompetenz. 

Die einzigartigen und ungleichen Beiträge der kubanischen Revolution zu Bildung und internationaler Solidarität werden im Kontext der Entwicklung von ALBA als alternativer Pol der internationalen Zusammenarbeit betrachtet, der möglicherweise einen Weg weg von verschiedenen wirtschaftlichen und ökologischen Krisen bietet.

Auf Wunsch übersetzte PDF per mail

 

Freitag, 22. Januar 2021

Community Care: Rudel oder Schwarm? Hornisse oder Wespe?


 Reiner Text: community_care

Rudel oder Schwarm? Hornisse oder Wespe?

 

Unsere Menschen- und Tierbilder
und die Assoziationen zu unserer Situation und Zukunft.

Die meisten Vergleiche und Beispiele, die Menschen aus dem Tierreich anführen, sagen mehr über sie selbst aus, als sie den Arten oder der Biologie gerecht werden.

Eine Bewegung, die zur Zeit sowohl künstlerisch als auch politisch unser Sozialverhalten anregen und per SMS, twitter und ähnlichem steuern möchte, dreht sich um den Schwarm als Bild für Selbstorganisation in der Natur: Bienen und Vögel sowie die Fische können es, aber kann der Mensch mehr als Sommerschlussverkauf und Urlaubsstau? Können wir Schwarm-Verhalten und lernen und was macht es mit uns?

Die Schwarm-Intelligenz und unsere Selbstorganisation
Wenn Tiere unterwegs sind, können sie sich in einer Art abstimmen, wie es der Mensch nur nach Training hinbekommt: Im Musik- oder Theaterspiel die eigene Situation und Rolle sehen und gleichzeitig die der Anderen, und dies aufeinander abstimmen: Das kommt beim Publikum als gelungenes Ensemble an.

Ähnlich schwärmerisch blicken wir auf Vogelschwärme, wenn uns nicht Hitchcock in die Quere kommt, und Swimmy hat es bis in die Bilderbücher gebracht: Als kleiner Fisch den Schwarm organisieren, um nicht mehr Angst vor den großen Fischen haben zu müssen.

Davon würden in unserer Situation auch viele träumen, mit einer ganzen Schar von Raubfischen in den Regierungen.

Der Mensch ist nicht nur ein Familien- und Herdentier, er ist auch Wolf und Rudeltier.
Das Leben scheint mir in unserer Gesellschaft nicht so sehr auf Schwärme angelegt, so gern ich das hätte, ich erlebe in Gesellschaft, Sport und Spiel mehr Rudel-Verhalten und das entsprechende Training, ohne daß die Varianten sehr bewußt gewechselt werden.

Fußball als staatstragender Sport, die anderen Wettkämpfe zum Teil in MANNschaften, das Zusammenspiel des Rudels wird ständig geübt: Mannschaftskapitän und Leitwolf, bis zu den Cheerleadern am Rande: Alle wollen, dass der Gegner erlegt wird, ausgeschlachtet, auch wenn da manche Rituale nicht mehr sooo blutig sind ...

In den Betriebshierarchien wird viel vom Team geredet, aber wenig tatsächlich gelebt: Es geht um Leiten und Ziele setzen, Ziele erreichen, aber wenig um tatsächlich langfristige Zusammenarbeiten, freie Vereinbarungen. Glücklich, wer ein gutes Kollegium auf längere Zeit genießen kann!

Wie die gutmütige Hummel des Open Space zur Wespe wurde
In einem Open Space zur Entwicklung der Gemeinsinn-Werkstatt gab es einmal so nette liebevoll Moderierende, dass es mir zu viel wurde: Vor lauter Freundlichkeit wurde alles so nett, dass ein irreales Gefühl aufkam, in einer besseren Welt zu sitzen und das da draussen nicht mehr bearbeiten zu können. So kam der Wunsch nach einer Wespe auf, die auch mal den Stachel zeigen kann, um sich zu wehren, statt nur hummelig die Pollen von Blüte zu Blüte zu tragen. Eine Kollegin malte sie auch gleich als hervorragendes Plakat, und mir sind die Wespen in guter Erinnerung, im Open Space auch mit energischeren Impulsen zu moderieren, wenn nötig.

Die Mutation der Wespe zur Hornisse: Lust auf Power?
Verwundert war ich, wie die Wespe nun im zeitlichen Abstand zur Hornisse mutierte: Grösser geworden, bedrohlicher, befremdlicher, seltener, aber immerhin schützenswert ... Die Gefahr ist allerdings wirklich groß, wenn sie sich bedroht fühlt, und mein bäuerlicher Onkel meinte, drei Hornissen könnten ein Pferd töten ... Wespen sind da lächerlich dagegen.

Was ist die Lust an so großer Kraft, an so gefährlichem Einsatz? Oder sind es nur die Scheinriesen wie bei Jim Knopf, die im größeren Abstand immer noch größer werden. Dann sollten wir mal auf sie zugehen, bis sie Normalmaß bekommen.

Vom Care zur Macht: Ehrenamts-Schmiere für den Kapitalismus
Im Care hat sich die gute alte Fürsorge versteckt, die so oft übergriffig die Dinge der Machtlosen regelt, und dabei ein Caritas-Mäntelchen der guten Taten trägt. Die Politiker haben auch seit Jahren die Ehrenämter als Spar- und Beschäftigungsmodell entdeckt, und ganz schnell verteufelt wird, wer aus der Arbeit am Gemeinsamen dann auch Beteiligungsrechte ableiten will.

Das könnte auch eine unserer Entwicklungsbremsen gewesen sein: Wie gut kommen wir an die alten Netzwerke der Macht und wie können wir eine offenere Beteiligung und entsprechende Rechte für die Aktiven sichern? Sind die alten Netzwerke unsere Auftraggebenden, dann sinken damit die Auftragschancen, sind es die Neuen, kommen sie an den Kern?

Gemeinsinn zur Bürgerorganisation befreien?
Bei Saul Alinski, Obama und KollegInnen können wir sehen, wie immer wieder ein Anlauf gelingen kann, bringt er nur genug Ärger, Hoffnung und Veränderungswillen auf den Punkt.

Bei uns erlebe ich immer noch ein stilles Staunen über den Wahlausgang, den geistigen Untergang der SPD und die Kriegsbeteiligung der Grünen, die jetzt von den Reaktionären mit Öko-Sprüchen überholt werden.

so, müde, Pause. Weitere Gliederungspunkte, Fertigstellung nur gegen Honorar.

Stadtteilarbeit und Fürsorge im Widerspruch
Parteien, Politiker und Selbstorganisation
Interessen, Macht und Zukunftsfähigkeit


Schwarm-Intelligenz und soziale Bewegungen
Rudel-Verhalten in Firmen und Parteien
Selbstsorge und gemeinsame Interessen

Soziales Wirken von Firmen
Fortbildung in community und SINN
Spur- und Seitenwechsel: Lernfelder

Co-Working und neue gemeinsame Selbständigkeit
Barcamp, Juniorfirma und gemeinschaftliche Lernfelder
Transfair: Langfristige gemeinschaftliche Lernstrukturen

Die bevorstehenden Rettungen werden unser Denken chaotisieren
Kapitalismuswirkungen und Zukunftsangst: Altersvorsorge?
Der Mensch als neoliberale Unternehmerfigur – in Gesellschaft?

Romantische und moderne / postmoderne Gesellschaftsbilder
Konstruktion neuer Weltrettungsszenarios
Gemütlich alt werden können als Qualität


Each man kills the things, that he loves ... singt die Wirtin in Faßbinders Filmfassung von Querelle


 Ist nach einem Gedicht von Oscar Wilde ...

 
Some love too little, some too long,
Some sell, and others buy;
Some do the deed with many tears,
And some without a sigh:
For each man kills the thing he loves,
Yet each man does not die.

 
http://www.poetry-online.org/wilde_the_ballad_of_reading_goal.htm

fritz letsch theater gestalt pädagogik moderation: sozialwissenschaft rudel oder schwarm fritz @ joker-netz.de, http://www.fritz-letsch.de

debattieren als Methode der Kommunikation: Auch Wissenschaftsdebatte, ein Beispiel und Links zur Kritischen Theorie

Das Bündnis zur Erneuerung der Demokratie in München hatte

HHB Hildegard Hamm-Brücher war als Schirmfrau im Bündnis zur Erneuerung der Demokratie

2004 - 2005 Höhepunkt der Aktivitäten auf der BUGA München und regelmäßig öffentliches Debattieren beim Streetlife-Festival,

Pressekonferenz im Ratskeller, ausführliches Interview Hildegard Hamm-Brücher Radio Lora mit Eva Strasser http://www.lora924.de

Rathausbeschluss München, nach den Bauarbeiten auf dem Marienhof hinter dem Rathaus (der vielleicht bis dahin endlich Kurt Eisner-Platz heißt, einen festen Platz zum öffentlichen Debattieren einzurichten, um eine demokratische Kultur abzubilden …

geboren am 11. Mai 1921, aufgewachsen in Berlin Dahlem, wo Martin Niemöller Pfarrer war, 1933-39 in Dresden und Salem https://de.wikipedia.org/wiki/Hildegard_Hamm-Br%C3%BCcher

HHB: Freiheit ist mehr als ein Wort: Eine Lebensbilanz 1921 - 1996

Im Bündnis zur Erneuerung der Demokratie hatten wir auch intensiven Austausch mit den studentischen Gruppen, die damals auf einen Impuls der ZEIT das Debattieren nach den britischen Stilen anregten und verbreiteten.


Wissenschaftsdebatte 2009 / Science Debate Germany 2009

Vielen Dank, dass Sie die Wissenschaftsdebatte in Deutschland beleben wollen. Nehmen Sie sich Zeit fuer das Ausfuellen des Fragebogens. Je deutlicher Sie ihre Wuensche, Thesen und Ideen formulieren, desto mehr Substanz wird die Debatte bekommen.


Die Fragen
warten auch auf deine Antworten, meine folgen hier:

Thesen

Kaum ein Ausbildungsbetrieb ist so herunter gehungert wie die bayrischen Hochschulen, die daneben ja auch noch Forschung bringen sollten … und von politischen Interessen der Leistungsideologen in den Hierarchien blockiert: 

Ein System der Selbstzerstörung, das sich selbst nicht retten kann. Am Ende kommen Berater … und verkaufen per Bertelsmann den Rest, werden sich aber wundern, dass sie kaum jemand zu entlassen finden.

Bildungspolitik wäre etwas ganz anderes: Eigenes Lernen anregen und begleiten, Strukturen für gemeinschaftliches Forschen schaffen, Bilder für eine zukunftsorientierte Gesellschaft entwerfen … statt Krisenmanagement.

Klare Trennung von Auftragsforschung und staatlich geförderter Grundlagenforschung, bessere Grundausstattung der Berufsausbildungen, Raum und Begleitung für Eigeninitiativ- Forschung und Außenseiter-Positionen,

Die größte Kompetenz liegt sicher in der Rüstungsindustrie, aber die wird uns nicht wirklich weiterbringen, kann aber vielleicht bald günstig ins Ausland verkauft werden.

Wenn sich die Forschung an die Struktur der Politik heranwagt, wird sie sehr schnell die Mechanismen durchschauen, was umgekehrt eher nicht in Frage kommen wird. 

Dann wäre es noch ein weiterer Schritt, sich der politischen Strukturerkenntnisse zu bedienen, und gemeinschaftlich eigene Entwicklungsziele durchzusetzen.

Neue offenere Zeitstrukturen und tatsächlich konzentrierte Arbeitsphasen, mehrjährige Projekte mit intensivem Praxisbezug

Wissen und Ausbildung steht in regionalen Zentren und offenen Schulen als öffentlichen Lern- und Forschungsarbeitsplätzen jeder Frage offen, ist durch offene Bibliotheken und Arbeitskreise in der interessierten Bevölkerung zugänglich und dialogfähig.

Die bisherige Sparpolitik hat viele Grundlagen begrenzt: Schulentwicklung (bei 100 Jahren Schulreform-Tradition in Deutschland, immer noch nicht in der Breite angekommen, sondern ideologisch verweigert)

Hochschulentwicklung: 

Erweiterung der Forschungsrichtungen statt der Lehrpläne, Schaffung von kommunikationsfähigen Strukturen zwischen den Fachrichtungen.

Rückschrittliche Geschäfts- orientierte Denkmodelle sind keine Diskussionsgrundlage: 

Eine bisher staatlich gestützte Uranpolitik, deren letzte Logik Uran- und Plutonium-Waffen sind, und deren einzige "Entsorgung" die "Endlagerung" in den geschlossenen Städten des Ostens zu werden scheint, ist selbst kaum rentabel, sondern lebt - einschließlich ihrer nie gesicherten Schadensregulierung - nur vom staatlichen Tropf. 

Auch eine kurzsichtige Zucker-Ethanol-Lösung wird uns nicht weiterbringen: Die Sucht-Strukturen unserer Konsumwirtschaft sind aufzulösen, damit eine breite nachhaltige Versorgung möglich wird.

Nachhaltigkeit im Denken
und Unterstützung der Interessen der Einzelnen statt der Energie- raubenden Märkte können unseren Lebensstil intelligenter machen, was ganz von selbst den falsch subventionierten Großverbrauch (Kerosinsteuer, Billig-Importe ...) verringern kann.

Wenn die Verantwortung der Forschung auch für die möglichen Schäden (Gen-Mais - Bienen z.B.) klar definiert wird, und Patent-Politik gegen Kleinbauern und Saatgut-Abhängigkeit veröffentlicht ist, sind die Geschäfte sehr schnell geringer und wird der Zynismus der "Welternährung" durch genmanipuliertes Saatgut schnell durchsichtig. 

Die Ablehnung in der Bevölkerung ist klar, nur in der Lobby noch nicht.


Nachdem die Ethik-Kommissionen eingerichtet wurden, ist von ihrer Arbeit und Auseinandersetzung kaum mehr zu hören. Dort sollten die Dialoge so offen kommuniziert werden, dass neue Entwicklungen möglich werden.

Wenn die Risikoforschung zur Nano-Technologie nicht mit gleichen Mitteln gefördert wird, werden die BürgerInnen zum Versuchsfeld. Im Gegensatz zur Informationstechnologie, wo wir der Feldforschung und Konsumentenerprobung durch Google und Microsoft auch etwas ausweichen können, sind die möglichen neuen Krankheiten meist nicht zurückzuverfolgen.

Schon vor vielen Jahren gab es eine kleine Bewegung zu Wissenschaftsläden, die aber nicht gefördert und integriert wurden und dann wieder aufgegeben wurden. 

Mit heutiger Technologie könnten sie ein Modell sein, an allen Schulen neue offene Wissenspunkte zu bilden, die natürlich durch Beratende moderiert und zu Bildungsberatungsstellen entwickelt werden können und zu weiteren Netzen qualifizierten Zugang geben. 

Nach meiner Mitwirkung an einer Studie zur Risiko-Einschätzung

und nach langjähriger Arbeit als Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen erlebte ich den Umbau zur Berufsbildung, den Adorno "Halbbildung" genannt hatte:  Begrenzter Blick auf Beruf und vielleicht Geschäft, aber kaum in die Welt und die Auswirkungen und Rahmenbedingungen der Arbeit, Folgenabschätzung als Feigenblatt. 

Kritische Theorie

Die Kritische Theorie wird in Täuschland auch oft als „Frankfurter Schule“ aus den 1920er Jahren bezeichnet, mit Bezug auf Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal und Erich Fromm, Emigrierte natürlich, der Psychoanalyse verbunden, und wurde von den etablierten ärztlichen und konservativen Kreisen in Deutschland dafür weitgehend ignoriert.

In der englisch-sprachigen Akademie-Literatur ist sehr viel mehr zur Kritischen Theorie und zur Pädagogik der Unterdrückten als Kritische Praxis mit dem Forumtheater zu finden: Originale und Übersetzungs-Anfänge

Was ist Kritische Pädagogik? E. Wayne Ross 2008

Das vielleicht herausragendste Element der kritischen Pädagogik ist das Ziel, die Menschen zu befähigen, ihre Welt zu verändern.

Es gibt keine einheitliche Definition der kritischen Pädagogik, da Pädagogen und Theoretiker das Konzept im Laufe der Jahre verändert haben, indem sie neue Ansätze zum Verständnis und zur Veränderung der Welt eingesetzt haben.

Kritische Pädagogik bezieht sich normalerweise auf pädagogische Theorie, Lehre und Lernpraktiken, die darauf abzielen, das kritische Bewusstsein der Lernenden in Bezug auf unterdrückende soziale Bedingungen zu stärken.

Die kritische Pädagogik konzentriert sich auf die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins sowohl für die „persönliche Befreiung“ als auch für kollektives politisches Handeln, um unterdrückende soziale Bedingungen zu überwinden und eine egalitärere, sozial gerechtere Welt zu schaffen.

Eine kritische Pädagogik ermutigt Schüler und Lehrer, die miteinander verbundenen Beziehungen zwischen Wissen, Kultur, Autorität, Ideologie und Macht zu verstehen.

Das Verständnis dieser Beziehungen erleichtert wiederum die Anerkennung, Kritik und Transformation bestehender undemokratischer sozialer Praktiken und institutioneller Strukturen, die Ungleichheiten und unterdrückende soziale Beziehungen erzeugen und aufrechterhalten.

Weiter: https://paulo-freire-muenchen.blogspot.com/2020/12/was-ist-kritische-padagogik-e-wayne.html

Andreas Gruschka: Kritische Theorie und Pädagogik - Eine Begegnung und ihre Folgen - 1988 - https://www.widersprueche-zeitschrift.de/article424.html - Ein westdeutscher Männerhaufen?


Bewußtseinsbildung in der Theaterarbeit - Texte zu Paulo Freire

In internationalen Hochschulen gehört die Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire als Beitrag des Südens zur Kritischen Praxis zur Kritischen Theorie, die sich hierzulande auf die Philosophische Theorie zurückgezogen hat.

Weil ja Begriffe die „Griffe sein sollen, die Welt zu verändern“, wie einmal Bert Brecht zugeschrieben wurde, such ich nach den besten Begriffen, die zwischen Bewusstseinsbildung im Forumtheater und Kritischer Praxis liegen, denn in der Kritischen Theorie wird hierzulande mehr über Adornos Gedanken philosophiert, statt über unsere kommende Zukunft. Dazu kommt seit Langem auch die Kritische Gestalt als Praxis der Kritischen therapeutischen Arbeit, Lebensform und Psychotherapie.

Forumtheater ist eine Bildungs-Praxis zur Kritischen Theorie

Paulo Freire hatte die Grundlegungen von gemeinschaftlichen Gestaltung wie bei Martin Buber, von dessen Freund Gustav Landauer und Antonio Gramsci in die Pädagogik der Unterdrückten aufgenommen, ein lernendes Menschenbild entgegen unserer deutschen Stoff-Kanons, die immer noch in „Hoch“-Schulen“ verabreicht werden.

Befreiung und Menschlichkeit

Emanzipatorische Methoden in der politischen Bildung

Bewußtseinsbildung in der Theaterarbeit
Auszug aus dem Buch "Befreiung und Menschlichkeit, Texte zu Paulo Freire", Hrsg. von Heinz Schulze bei der AG SPAK München
Mit dem Theater der Unterdrückten hat Augusto Boal eine Methodenreihe nach Europa gebracht, die vor seinem Exil in politischer Theaterarbeit und in der Alfabetisierung entstanden und angewandt worden war.  Seine Seminare, vor allem in der SchauspielerInnen-Fortbildung, aber auch mit offenen Interessiertengruppen organisiert, vermitteln neben den Methoden auch den Kontext der südamerikanischen Herkunft und ihrer politischen Heimat.
Schon das Wort 'Unterdrückung' teilt in der Anwendung in Europa die Reaktionen in Interesse oder schnelle Ablehnung. Gymnasialdirektoren und Institutsleiter wittern schon Agitation oder Probleme mit Vorgesetzten, wenn allein der Titel im Programm auftaucht. Andererseits hat sich inzwischen eine breite 'Welt-Arbeits-Ebene' zwischen Kirchen und Parteien aufgebaut, die diese Worte sofort mit der eigenen Arbeit verbindet und das Theater der Unterdrückten in die eigene Methodik aufnimmt.
Ein weiterer Aufwind für die Verbreitung der Methoden, Theater zu den eigenen Themen selbst zu entwickeln, liegt in der Bereitschaft, vor allem in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung neue musische Formen aufzunehmen.  Auf diesem Weg geraten Bewusstseinsbildung und emanzipatorische Pädagogik durch die Hintertür in die weitgehend unreflektierten autoritären Strukturen und erweisen sich als Sprengstoff.
Aber auch die grundsätzliche Arbeitsweise erscheint vielen Veranstaltern fremd, aber interessant: Mit Körperarbeit einzusteigen, die Befindlichkeit, den Ausdruck und die Gestaltungsfreude anzusprechen und davon ausgehend die Themen vom Persönlichen im Politischen zu verankern, erscheint manchmal als zu hoher Anspruch, lässt sich aber als Arbeitsrichtung sicher definieren.
In dieser Arbeitsrichtung liegt auch der wichtigste Unterschied zu ähnlichen Ansätzen wie Psychodrama und entsprechender Überformungen wie z.B. Bibliodrama, die von einem gemeinsamen Thema in die Tiefen der Person gehen, statt die gesellschaftliche Dimension in den Blick zu nehmen.
Auch TeilnehmerInnen, die keine Vorerfahrungen mit Theaterarbeit haben, sind anfangs vielleicht irritiert:
Von der Anfangsrunde:
Im Stehen von Fußsohle bis Scheitel den eigenen Körper, seine Beweglichkeit und seine Ausdrucksmittel wahrnehmen,
in Partnerübungen so miteinander vertraut werden, daß ein selbstverständlicher Umgang miteinander bis zum STATUENTHEATER führen kann...
... bis zur Darstellung eigener Anteile von Druck und Unterdrückung in den Statuenbildern der Teilnehmenden zum jeweiligen Thema geht es sehr schnell in die persönlich empfundenen generativen Themen, die aber auch gemeinsame Erfahrung sind.
Diese Bilder lassen sich mit verschiedenen Umgangsweisen verschärfen und vertiefen: In mehreren Folgebildern, in Gegenbildern, in Veränderungsversuchen, mit assoziierten Aussagen oder gesprochenen Gedanken. Dabei steht immer die Suche nach genauerem Verständnis der Szene und den Hintergründen eines Vorganges im Mittelpunkt.
Beim FORUMTHEATER werden dann die Statuen um eigene Texte erweitert, um eine Situation dann auch bewegt auf die Bühne zu stellen. Eine Situation von Unterdrückung wird dem Publikum so vorgestellt, daß eine möglichst klare Beziehung zwischen 'Opfer' und 'Täter' entsteht.  Das Publikum erhält durch einen Spielleiter oder Joker die Möglichkeit, in die Rolle des Opfers zu gehen und sie zu verändern. Den Unterdrücker auszutauschen hieße, die Situation künstlich zu entschärfen oder aufzuladen, sehr oft wird auch eine Retterfigur aus dem Publikum vorgeschlagen, die aber eine Emanzipation, eine eigene Befreiung des Opfers eher verhindern würde.
Mit dieser Methode können vom Joker verschiedene Reaktionsmöglichkeiten erprobt werden, bis das Publikum das Gefühl hat, das Thema bewältigt zu haben. Falls ein Eingreifen nicht möglich erscheint, muß vielleicht der Rahmen der Szene verändert werden: in Bild vorher, eine Unterteilung in mehrere Bilder, ein Folgebild. Manchmal hilft auch eine Ritualisierung, ein Ablauf in Zeitlupe oder mit Zeitraffer, oder die Heraushebung bestimmender Symbole und Verhaltensweisen.
Nachdem ein Thema mit dieser Arbeitsweise erschlossen ist, kann es mit anderen Methoden in dramatische Form für ein weiteres Publikum gebracht werden. Bauerntheater und Volkstheater sind alte Mittel dazu, Modell Lindenstraße eine Neuentwicklung; unsichtbares Theater ist mir vor allem eine Möglichkeit, die Wahrnehmung der SchauspielerInnen an einem ahnungslosen Publikum zu überprüfen.
Im Überblick der schwierigsten Themen der letzten Jahre habe ich einen TABUKATALOG zusammengestellt, eine Faustregel für Unterdrückung und ein Wegweiser zur Kultur des Schweigens:
Der Daumen steht bei den Handlinien für das Ich, in meiner Faustregel für die Sexualität. Keine Lernorte, keine angenehme Sprache, aber gezielte Vermarktung und massive Personenzerstörung durch Anreizung, Moral und Schuldgefühle sind die deutlichsten Anzeichen.
Der Zeigefinger wird für das Du benutzt, in meiner Faustregel für das Thema Geld, das unsere Beziehungen bestimmt. Von den Sprüchen "Geld verdirbt die Freundschaft" und "Über Geld spricht man nicht, Geld hat man" bis zur Frage nach Reichtums- und Klassenunterschieden und das geistige Verbot des Wortes 'Kapitalismus' ist es von Geheimniskrämerei umgeben und könnte unsere Beziehungen sehr gut offenlegen.
Der Mittelfinger ist dem Thema Religion oder auch dem Sinn des Lebens zugeordnet. Entweder das Fertigpack einer Konfession, oder die Do-it-yourself-Version von Atheismus und Freidenkern; Taufe, Initiation, Hochzeitsritus und Begräbnis inbegriffen oder nicht... ein offenes Gespräch jenseits der Vokabeln der Pfarrer ist kaum möglich.
Der Ringfinger ist den längerfristigen Beziehungen zugeordnet, in meiner Arbeit den Themen Krankheit, Tod, Abschied, also den Störungen dabei. Vor allem die Trauer, die Zulässigkeit tiefer Gefühle und ihr gesellschaftlicher Ausdruck sind so behindert, daß Beerdigungen und Abschiede sehr oft in peinlichen Formalismen steckenbleiben.
Der kleine Finger übernimmt die restlichen Themen von abweichendem Verhalten: Anders sein. Lesbisch oder schwul, behindert oder farbig, andersgläubig oder für eine Gesellschaft unpassend, alle Außenseiter wie auch Berühmtheiten, inbegriffen. Die Angst vor dem Fremden bleibt sprachlos und aggressiv, wird in Witzen und Unterstellungen oberflächlich abgehandelt.
Gemeinsame Eigenschaften aller Tabus: Es fehlt die Sprache, sie wirklich treffend anzupacken, gleichzeitig liegt eine Geschwätzigkeit der Ablenkung darüber. Paulo Freire verwendet die Begriffe 'Mythos' und 'Kultur des Schweigens': Wir haben immer gute Gründe, nicht darüber zu reden. Wenn wir es trotzdem wollen, geht es nicht: Wir kommen vom Thema ab, werden unruhig, müssen rauchen... Wenn wir plötzlich müde werden, gähnen, Kopfschmerzen bekommen - und auf einmal gar nicht mehr wissen, was wir gerade wollten: dann haben sie gut gearbeitet, unsere Polizisten im Kopf.
Es ist gut, viel über sie zu wissen, aber es ist so unsinnig wie bewaffneter Kampf gegen Panzerwagen, wie Militär gegen Terrorismus, mit Gewalt gegen sie losziehen zu wollen. Weil sie von unserer eigenen Angst genährt sind, können wir sie nur sanft und nach ihren eigenen Prinzipien, mit gewaltfreier Methodik und Intelligenz, überlisten.
Bürger beobachten ihre Polizei: Frauen und Männer haben verschieden arbeitende PolizistInnen im Kopf, eine Frauengruppe kommt zuerst einmal tiefer an die persönlichen Themen, aber um so klarer ist dann auch da wieder plötzlich Schluß. Verschiedene Gesellschaftsschichten lernen jeweils eigene Taburahmen, so daß sich gemischte Gruppen helfen könnten... Aber wir haben für jedes Thema unsere ähnlichen Verläufe vorgezeichnet: vermeiden, verkomplizieren, für aussichtslos erklären, anderen die Schuld zuweisen, es durch Erfahrung als naturgegeben hinstellen, ablenken.
Die Palette unserer polizeilichen Eingriffe geht dann von den Umleitungen der Gedanken über die Aufforderung zur Versammlungsauflösung zu den härteren Maßnahmen: Kopfschmerzen, Anspannungen und Krampfungen im Körper, Erkältungen, Migräne etc. bis an die kräftigen Charakterpanzerungen unserer Muskulatur, wie sie Wilhelm Reich im Einzelnen beschrieben hat, wie sie in der Gestalttherapie von innen gelöst werden.
Und damit in die Theaterarbeit?
Zu diesen Themengruppen wird Theater immer interessant und gerät nicht zur leeren Unterhaltung, die diesen heißen Fragen ausweichen will. Kleingruppen können dazu kurze Szenen oder Statuen entwickeln, die dann im Plenum gemeinsam bearbeitet werden:
1) Ein junger Mann verabschiedet an der Bushaltestelle seine Freundin, trifft dabei eine alte Freundin, sie freuen sich, sich nach langer Zeit wiederzusehen. In einer zweiten Szene sitzt er mit seiner Freundin beim Abendbrot und druckst herum: Daß er die andere wieder getroffen habe, bei ihr zum Abendessen war, dann noch geblieben war, weil sie so viel zu erzählen hatten... Natürlich habe er bei ihr dann übernachtet, natürlich haben sie miteinander geschlafen...(Ende)
2) Ein Student wird von seinen Eltern mit Zuwendungen "in bar" gezwungen, regelmäßig nach Hause zu kommen und ihre Ermahnungen über sich ergehen zu lassen. Die Szene zeigt die monatliche freundliche Geldüberreichung. Eine Steigerung kurz vor der Silberhochzeit der Eltern: Er kommt mit neuem Haarschnitt (kurz, nur eine kleine Locke) nach Hause. Seine Mutter: "Wie kannst du uns das antun..." Er hat seitdem Magenschmerzen.
3) Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb, jeder esse, was er kann... Eine Gruppe von 5 Personen sitzt um einen gedeckten Tisch, sie halten sich die Hände zum kindlichen 'Tischgebet', sind aber in ihren Minen gar nicht lieb: gelangweilt, müde, abweisend... Für die Seminargruppe war das ein sofort klares Bild: das Ritual wurde einiger Kinder wegen eingeführt und mußte von allen mit gemischten Gefühlen mitgespielt werden. Thema dahinter: was wäre ein angemessenes Tischgebet/Essensritual?
4) Eine junge Frau stellt die Trauergemeinde um ein Grab und sich selbst in den Hintergrund. Ihr Freund war beim Motorradunfall gestorben, seine Familile hat sie nicht richtig gekannt, sie ist mit ihrer Trauer alleine.
5) Ein Ausländer sucht eine Wohnung; bei den Besichtigungsterminen fällt er immer aus der engeren Wahl, sobald die Hausverwalter merken, daß er nicht-deutsch ist.
Die Weiterarbeit an den Szenen orientiert sich an den Inhalten oder den Darstellungsformen: Aus den Statuen und Bildern können wir mit Gegenbildern, Folgebildern, Vor-Bildern oder anderen Umgangsweisen klarere Verläufe zeigen: Die TeilnehmerInnen äußern ihre Assoziationen, legen den Figuren Sätze 'in den Mund', stellen offene Fragen. In einer Folge von Bildern können Teilnehmende auch versuchen, den 'Fall' zu klären, Verhaltensweisen zu entschlüsseln. In Zeitlupe oder im Zeitraffer kann ein Verlauf in seiner Struktur verdeutlicht werden.
FORUMTHEATER stellt das gespielte Kurz-Stück mit Hilfe einer Spielleitung dem Publikum vor und fordert es auf, die unterdrückte Figur zu ersetzen, die Rolle aber möglichst genau aufzunehmen, in der entscheidenden Situation aber dann gegen die Unterdrückung anzusprechen. Wenn ein Publikum nicht nach dem ersten/ zweiten Vorspiel reagiert, bekommt es nocheinmal - in verkürzter und vereinfachter Version - das Hauptthema vorgespielt (notfalls mehrmals). Die Aufgabe des Jokers ist das Gespräch mit dem Publikum, in den Fragen nach Kernthemen, Lösungswegen und Verständlichkeit des Problems, bis er /sie den Eindruck hat, das Thema ist genügend präsent und erschlossen.
DER POLIZIST IM KOPF ist eine Reihe von Methoden, die ähnlich dem Forumtheater auf die Suche nach den Kernen der Unterdrückung geht und in der jeweiligen Situation die persönlichen Anteile und die gesellschaftlichen Bedingungen zu trennen versucht. Voraussetzung ist dabei die Eröffnung des gemeinsamen Spielfeldes, auch der Sprache, um tabuisierte Themen von den persönlichen Grenzen zu lösen und sie der Gruppe als gemeinsame Aufgabe zur Verfügung zu stellen.
Der REGENBOGEN DER WÜNSCHE versucht, unsere verschiedenen Gefühlsanteile in einer Spielhaltung auseinanderzulegen und als Kombination verschiedener eigener Antriebe nebeneinander und gleichzeitig zu begreifen. Er kann bei etwas Zeit und Ruhe klären, welche gegensätzlichen Mischungen unser Verhalten beeinflussen und unsicher, undeutlich und mißverständlich werden lassen.
Beide Methoden (Polizist und Regenbogen) gehen an die Tabuthemen, um den gesellschaftlichen Verdrängungsmechanismus aufzudecken und zu zeigen, wie mit dem Verschweigesystem Unterdrückung institutionalisiert wird.
Vier andere Methoden möchte ich nur kurz anreißen:
- MÄRCHEN UND SYMBOLGESCHICHTEN helfen uns, in üblicher Verpackung und Zeichensprache über heiße Themen zu arbeiten. Mythen und Mythologien stehen als Schlüssel zu bestimmten Fragen (Religion, Sexualität...) zur Verfügung. Werden sie wie heilige Kühe behandelt, wirken sie verdummend, werden sie ins Spiel gebracht, können sie hilfreich sein.
- NARR UND CLOWN sind die verzauberten Dummen der Wahrheit. Sie haben besondere Rechte, weil sie weniger 'ernst' genommen werden, sich selbst weiter an tiefe Themen wagen, weniger Ehrfurcht haben und die richtigen dummen Fragen stellen.
- ABSURDES gibt vor allem aus der Literatur die Möglichkeit, ungewöhnliche Worte, Themen, Sätze zu kombinieren und damit zu neuen Ideen zu kommen. Eine Gefahr dabei ist, daß viele Produkte dieser Arbeitsweise 'schön' sind und in ihrer Befremdlichkeit stehenbleiben, ohne zu Konsequenzen zu führen.
- VERFREMDUNG ist z.B. die Verlagerung eines Verlaufs in eine andere Umwelt/Schicht/Zeit... oder eine ähnliche Versetzung eines erkannten Zusammenhangs. Rituale, die wir in einem bestimmten Kontext entwickeln, sind vielleicht in anderer Umgebung unsinnig, menschenfeindlich oder unzeitgemäß. In verfremdeter Darstellung können solche Riten und Gewohnheiten zerlegt werden. Aus den dahinterliegenden Bedürfnissen sollten dann neue Regeln für den gemeinsamen Umgang mit schwierigen Themen gefunden werden.
Für größere, öffentliche Auftritte, habe ich vier Formen parat, die ich mit Beispielen kurz vorstellen will:
BAUERNTHEATER entwickelt sich mit Landjugendgruppen fast selbständig, wenn sie ihre Bezüge und heißen Themen in Statuen- und Forumtheater vorstellen und kombinieren. Mutter steht am Herd und legt Knödel ein, Tochter kommt von der Kirche heim und erzählt, daß sie ihren Freund Franz - Student und bei den Grünen - vorstellen will, der Vater ist noch am CSU-Stammtisch, Großmutter redet schon vom Heiraten, dann kommt...
MODELL LINDENSTRASSE entstand mit braven Kirchenjugendlichen, die im Original nicht richtig loslegen wollten. Indem ihnen eine sehr gegensätzliche Rolle (Porsche-Angeber, etwas leichte Mädchen, Alkoholiker, Fiesling, schüchterne E.) mit den Feinheiten: Name, Familienherkunft, Alter, innere Einstellung, Beruf, Lebenssituation -... als vollständige Rolle vorgegeben wurde (oder mit eineR PartnerIn entwickelt werden konnte), kann die Gruppe im Nu jeden aktuellen Impuls aufgreifen und zu jedem Thema aus diesen Rollen improvisieren (Abtreibung, DDR, EG, Asyl...). Als "Jugendgruppe St. Anton" spielen sie seitdem regelmäßig in verschiedenen eigenen Veranstaltungen.
VOLKSTHEATER ist in der Anlage dem Bauerntheater ähnlich, geht für mich aber auch in andere Zeiten und andere Schichten: Ob geschichtliches, herrschaftliches, proletarisches, hat Volkstheater schon immer die Aufgabe und den Reiz der heißen Themen gekannt, bevor es für die reine Unterhaltung als dümmlich-witziges Spielen kastriert wurde. In Italienisch auch: Die Commedia de'll Arte.
STRASSENAKTIONEN haben den Anspruch, ein Thema "richtig rüberzubringen". Das Problem der Rüstungsexporte führte auf dem Katholikentag Aachen 88 zu einer "Wallfahrt der Rüstungsindustrie" für mehr Kriege und Spannungsfelder, in der ein riesiges goldenes Kalb verehrt und mit Musik und Litaneien (Money makes the world go around) durch die Menge der staunenden Gläubigen zog.
Die erste Aufgabe der Theater- und Schauspielausbildung ist WAHRNEHMUNG ÜBEN. Dazu gehört, genauer zu schauen, wo man annimmt, schon zu wissen; genauer zu hören, zu spüren, weiter zu forschen. Dazu gehört auch, die gelernten Konventionen zu verlassen und nach den Grenzen als Aufgabe zu schauen. Die auftretenden Irritationen sind nicht immer leicht auszuhalten, darum ist sicher eine Gruppe oder ein Projekt nötig, nicht selbst irre zu werden, sondern den Irrsinn unserer Gesellschaft klar zu erkennen. Mit den Stufen des BEGREIFENS, WAS IST beginnt die Grundlage für BEWUSSTSEIN BILDEN als Weg zu VERÄNDERUNG LERNEN.
BEGREIFEN, WAS IST heißt in unserer Arbeit, das Wahrgenommene in die eigene Lebenssicht einzuordnen und die Schnittstellen zur Sicht anderer Personen und zu ihren Mythen und Ideologien abzugrenzen. Es heißt auch, das eigene Bild der Anderen zu untersuchen, wobei uns das UNSICHTBARE THEATER behilflich sein kann. Wir schätzen Reaktionen eines Publikums ein, das nicht von unsererem Theaterspiel weiß, und erleben dann seine wirkliche Art, uns zu antworten. Unsichtbares Theater ist dazu wichtig, wenn wir Themen der Unterdrückung aufgreifen, die bei uns hierzulande viel tiefer im Psychologischen als im Militärischen angesiedelt sind und natürlich entsprechend tabu. BEWUSSTSEIN BILDEN ist für mich der ständig wache Anspruch, auf mich einwirkende Impulse in meine Lebenssicht einzuordnen und meine Art des Umgangs damit auch im Blick zu behalten. Dazu gehört selbstverständlich vom kleinen Zusammenhang von Haushalt und Ökologie bis zu internationalen Themen und Weltordnungsansprüchen die gesamte Spanne von Zusammenhängen und Themen. Die Bescheidenheit der eigenen Ansprüche kommt beim Versuch VERÄNDERUNG LERNEN bald dazu: Wenn ich mein eigenes Verhalten, meine Stimmungen und meine Muster kenne (und mit Hilfe anderer genauer kennenlerne), kann ich die ersten Schritte meiner Veränderungen erlernen.
Ein schönes Modell in diesem Bereich ist die Arbeit von Moshe Feldenkrais: Bewußtsein durch Bewegung, die für mich durchaus schnell in die politische Situation und Arbeit zu übersetzen ist: Je genauer ich meine eigenen Verhaltensweisen kenne und je genauer ich die Situation anderer einschätzen kann, umso genauer kann ich auch meine politische Tätigkeit ansiedeln, um von meiner Veränderung zur Änderungshilfe für andere zu kommen. Das ist für mich die Grundlage, BEFREIUNG zu ERMÖGLICHEN, sowohl für mich, uns, als auch für andere. Befreit werden müssen dabei nicht nur Unterdrückte, um zu gerechten Lebenschancen zu kommen; befreit werden müssen vor allem auch Unterdrückte, um aus phantasielosem Konsum zu einem freieren solidarischen Leben zu gelangen. Servus
Weiterführende Literatur:
Zur Pädagogik der Unterdrückten
Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten FISCHER TB
Heinz Schulze: Befreiung und Menschlichkeit, Texte zu Paulo Freire, AG SPAK München 1991
Zum Theater der Unterdrückten
Augusto Boal: Theater der Unterdrückten, SUHRKAMP Neue Folge 361, Frankfurt 1989
Augusto Boal: Der Regenbogen der Wünsche, Methoden aus Theater und Therapie, Kallmeyer
Fritz Letsch: Theater macht Politik, Die Methoden des Theater der Unterdrückten in der Bildungsarbeit, Gautinger Protokolle im Institut für Jugendarbeit des BJR Gauting jetzt bei http://www.agspak-buecher.de

 

 

Forumtheater aus den Themen der Teilnehmenden: Tabu und Grenzen

Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal auf Grundlage der Bewusstseinsbildung und der Befreienden Pädagogik von Paulo Freire als Kritische Praxis zur kritischen Theorie.

Grundlagen:

  • Statuen bauen
  • Generative Themen
  • Forum-Themen vorschlagen
  • Szenen entscheiden und entwickeln
  • Szene durchspielen und Ablauf verfestigen
  • Charaktere in Übungen vertiefen und sichern

Forum war immer schon eine Runde ... im Gespräch

Die feste Bestuhlung macht leider aus vielen Theatern einen Vortragssaal, und immer, wenn alle einer Person zuhören sollen, werden automatisch alle Stühle im Raum wie in einem Kino aufgestellt, in Reihen.

Mit Hinterköpfen kann ich nicht sprechen. Stühle im Kreis machen manchen Leuten Angst:
Du siehst alle, alle sehen dich.

Eins meiner schönsten Erlebnisse:

Im Senatssaal des Bayrischen Landtags bauten wir für einen Forum-Theater-Abend die Bühne an der Seitenwand, und die Mitarbeitenden des Landtags begannen, unseren Aufbau zu fotografieren und notieren:
Das hatten sie noch nie erlebt, das wollten sie zuerst auch nicht erlauben aber jetzt gelegentlich auch für andere Veranstaltungen versuchen.
Während dem späteren Umbau des Plenarsaales HERRSCHTE dann aber wieder die frontale, angeblich feuerpolizeilich ausgerichtete Ordnung.

Theater im Forum kann unsere Themen in ein Gespräch bringen:

Nix für Einzel-Vortanz-Künstler!

Sie entstehen immer neu aus den generativen Themen der Teilnehmenden,
und oft als Antwort auf eine schlichte Frage: Was hat dich zuletzt geärgert?
Wo fühlst du dich am meisten unter Druck?
Wie ist für dich eine typische Haltung von "Unter Druck sein"?

Aus einer einzelnen Statue kann eine dialogische Szene entstehen,
wenn wir ein Gegenüber hinzufügen, vielleicht in mechanischer Reaktion andauernder Wiederholung.

Wenn die Szene klar und verständlich ist, wird das Publikum sofort darauf reagieren.
Dafür brauchen wir manchmal Hinweise des Joker, (bzw. dieser vorher die Information der aufstellenden Person), auf welchen kulturellen Denk-und Sprachhorizonten die Situation entstanden ist: Alter, Rolle, Bindungen, Verbote, ...


Das Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten, entwickelt von Augusto Boal, Rio de Janeiro.
Es stellt dem Publikum eine Szene vor, die schlecht und unbefriedigend endet. Eine Joker-Figur ermutigt das Publikum, diese Szenen im Dialog zu einem besseren Ende zu bringen.

Im Forumtheater werden vor allem durch zugespitzte "Modellszenen" Fragen aufgeworfen. Die Modelle werden meist in offenen Workshops aus den generativen Themen der Teilnehmenden entwickelt.

Zusehende können sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspielenden, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen. Hier geht es um die Antworten auf Fragen: was würde ich in der dargestellten gespielten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die Szenen verändern? Forumtheater als (ästhetisches) Training für zukünftiges Handeln in brisanten Konfliktsituationen.

Mit dem Forumtheater kann jede Problemstellung der Teilnehmenden - von diesen ausgesprochen und ins Bild gebracht - von ihnen selbst durch das Spiel der anderen distanziert - durch das identifizierende Handeln des Publikums verändert werden.


Bei Paulo Freire in der Pädagogik der Unterdrückten sind generative Themen die Themen der Lernenden und Teilnehmenden im gemeinschaftlichen Prozess, die Hinweise geben auf die Hintergründe ihrer Lebens-Situationen und Interessen. 


Ausführliche Darstellung mit Beispielen in der Bewusstseinsbildung

Meine nun leicht überarbeitete Version 26. Jun. 2004 in Wikipedia,
dorthin führen auch die meisten dieser Links.
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Bild von http://www.theatreoftheoppressed.org - dort war früher ein ausführlicher englischer Text, vielleicht noch bei Joel? 

 Tabu und Grenzen

Bei der Anleitung von hunderten Workshops zum Forumtheater nach Augusto Boal mit den verschiedensten Gruppen von Schulklassen bis Pfarrern entstand im Lauf der Jahre meine eigene Sammlung: Die Arbeit am Tabu war Tabu:

Die Arbeit am Tabu – meine Faustregel entstand aus der Praxis mit Gruppen:

Jede Gruppe braucht eine Phase der Aufwärmung und des Vertraut Werden, in der ich die ersten Arten des Arbeit am Ausdruck, an der Körperwahrnehmung und an der Arbeit mit Partner*n in zweier- dreier und fünfer- Konstellationen in Abwechslung mit der Gesamtgruppe (die bei guten Räumen auch mal bis zu 40 gehen konnte) abwechsle und für eine lockere Stimmung sorge.

Aber irgendwann brauchen wir Themen der Unterdrückung, die verändert werden sollten, und da gab es Phasen, in denen niemand ein Thema einbringen wollte. Zu wenig Vertrauen oder zu wenig Erfahrung?

Wenn die Gruppe eine fachlich ausgebildete wie in sozialer Arbeit, Jugendleitende, Lehrkräfte und Lehrschwestern, Psychotherapeut*innen etc. waren, die selbst als Theater-Anleitende arbeiten wollten, verriet ich ihnen den geheimen Katalog der Tabus als Orientierung, den nicht alle sonstigen kurz Teilnehmenden wissen mussten:

Theater wird nur interessant, wenn es die Tabus der Gesellschaft im Dilemma auf die Bühne bringt:

Die Faustregel steht auf Die Arbeit am Tabu, hier mehr die gesellschaftlichen Hintergründe: Und bitte: TABU!

 

 

 

Ästhetik der Unterdrückten von Augusto Boal

 Buch und Theorie von Augusto Boal, noch nicht in deutsch erschienen.
Bei mir eine offene Baustelle, die ich gerne in werkstatt-Seminaren vorstelle.


Auch wenn die WeltSozialForum-Bewegung in Deutschland nicht richtig angekommen ist, weil die einzelnen Initiativen mit ihren Themen so sehr beschäftigt sind und unsere Arbeitsweisen zu differenziert sind: 

In all den Ländern, in denen nun nachhaltige Unruhen begonnen haben, zwischen Spanien und Griechenland die Müllkämpfe von Neapel ... es ist eine Frage der Bildung und neuer Kommunikationsformen.

Die Presse sieht es nur per Facebook und Twitter, wie schon damals bei Obamas Wahlkampf, und kann eine Organisation wie Community Organizing nicht nachvollziehen. Die Initiativen und Projekte denken auch nicht in verbündeten Strukturen, sondern reproduzieren die Konkurrenz des Kapitalbetriebs um die Stunden der Engagierten. Daneben grast die Konservative mit den Wohlfahrtsverbänden bei den Älteren das bürgerschaftliche Engagement mit guten Taten bei guter Rente ab, Zusatzverdienste für Geringverdienende und Rentenarme sind nicht eingeplant.

Piraten organisieren ihre Datenströme, Bedingungsloses Grundeinkommen plant die Abschaffung des belastenden Sozial-Verwaltungsstaates, die FDP senkt die Steuerfähigkeit, die Grünen und SPD steigerten grade noch die Rüstungsexporte ... wir landen eher im postmodernen Vielerlei der Konzentrationsverluste bei steigenden Konzernkonzentrationen ... 

Die perfide Anleitung zur Manipulation eines Volkes hat Noam Chomsky schon zusammengestellt: http://le-bohemien.net/2011/06/16/10-strategien-die-gesellschaft-zu-manipulieren Gehirnwäsche

 
Gleichzeitig können wir lernen, wie eine Gruppe zur Lernenden Organisation werden kann, wie eine Ästhetik der Unterdrückten zur gemeinsamen Stärke führt.


Die Ausführungen von Chomsky entsprechen dem Ansatz: http://le-bohemien.net/2011/06/16/10-strategien-die-gesellschaft-zu-manipulieren/

http://deu.anarchopedia.org/index.php?title=Die_%C3%84sthetik_der_Unterdr%C3%BCckten
Augusto Boal kämpfte in den letzen Jahrzehnten nicht mehr gegen Militärdiktaturen, sondern gegen die Vermüllung unserer Denksysteme.
Sein Buch ist noch nicht übersetzt, aber ich konnte einige Jahre seinen Gedanken folgen und sammle ein paar Assoziationen:

Jean Ziegler schreibt über die Wütenden und das Recht auf Leben:

„Und die Armen? Sie haben keine Ideologie mehr. Der Neoliberalismus hat ihnen das Gehirn leer gewaschen. Ihnen bleibt nichts als ein elementares, starkes Gerechtigkeitsgefühl, die unauslöschliche Forderung nach einem »Recht auf Leben« - eine Forderung, ähnlich den Beschwerden, die bei den Generalständen von 1789 die Allerärmsten unter den Mittellosen erhoben, all jene Elenden und Hungernden, die auf die Hinrichtung Ludwigs XVI. und die Radikalisierung der Revolution warten mussten, bevor sie die Bühne der Weltgeschichte stürmen konnten. Man nannte sie die Enragés, die Wütenden. 

Einer ihrer ersten Wortführer war der Priester Jacques Roux, und er war es auch, der als Erster vom Recht auf Leben sprach.1 “

Der ehrliche Bezug auf die Menschenrechte (nicht als Begründung für Rohstoff-Befreiungskriege) als recht auf Leben, Nahrung, Wohnen außer den kapital-geregelten Märkten ist noch nicht bei allen deformierten Denkstrukturen durchsetzbar: Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht essen?

zur untergehenden Arbeiterkultur ...

„Die Arbeit wurde ihrer Würde beraubt, sie ist extrem gefährdet, aber gleichzeitig tun sich vor dem Erwerbstätigen schier unbegrenzte Möglichkeiten auf: Er wird im Laufe seines Lebens praktisch bruchlos von einem Beruf zum nächsten wechseln ...“2

„Philippe Zarifian gibt von den real existierenden Individuen im Zeitalter dss weltweiten Siegeszuges des globalisierten Kapitals folgende Definition: »Kümmerformen von sozialen Wesen, anfällig, geschwächt, den großen Systemen Wirtschaft, Verwaltung, Justiz hilflos ausgeliefert.«3

Saint-Just und Salvador Allende, ... Autonomie des Individuums, ...

»... Es gibt zwischen den Menschen gemeinsame Neigungen und Vorstellungen, die sich dies klarzumachen vermögen, insofern diese Neigungen in ihren sich überschneidenden Seelenregungen zueinander passen. Anstatt einander aufzuheben oder zu schwächen, verstärken sie einander und vermehren die Kraft jedes einzelnen und aller. Man darf daher vermuten, dass die Praxis der Großmut etwas Gutes ist.«4

Bewegungen wie MST, die brasilianischen Landlosen, denen der spätfeudale Großgrundbesitz immer noch die Äcker verweigert, jetzt, weil sie für Biosprit gebraucht werden könnten.

Großmut ...
Die Fronten des Widerstandes:
1.Gewerkschaften
2.Bauernbewegungen
3.Frauenrechte
4.indigene
5.Umweltbewegungen
6.soziale Bewegungen attac, NGOs zu Schuldenerlass, Kinderarbeit,ai, ...

South Group Network Harare? Das lebende Internet5
Basisdemokratie überall soziale Gleichgewichte Bewahrung öffentlicherGüter 247
Wenn sich die internationalen Waffenschieber wieder in München treffen
Kollektivgedächtnis lokal, indigen,
TINA und attac „unsterbliche Giganten“6
Weißkittel Tute Bianche
Weltsozialforen
Warnung an Hep?
Märsche, reclaim, 268 Alphabetisierung, Freire, MST 275
Beim Ökumenischen Kirchentag in München an den Empfang der Waffenschieber erinnern?

„Die Freiheit ist nur ein eitles Hirngespinst, wenn eine Klasse die andere ungestraft aushungern kann. Die Gleichheit ist nur ein eitles Hirngespinst, wenn der Reiche mithilfe seines Monopols über Leben und Tod seiner Mitmenschen entscheidet.“ Enragés 25. Juni 1793

generative Themen

Generative Themen sind bei Paulo Freire die Themen der Teilnehmenden, an denen sie selbst am höchsten motiviert sind und dadurch am besten lernen können.

In den Widerspruch gerät dies allerdings für die Vermittlung methodischen Arbeitens, wenn die Betroffenheit zu groß wird und die Lösung des Konfliktes so weit in den Vordergrund tritt, dass der Blick für die Schritte des Vorgehens verschwimmt.

Bei den Forum-Szenen lösen wir diese Spannung, in dem die Spielenden die Szene der Regie abnehmen und im Kontakt mit dem Publikum entsteht eine dritte Ebene: Andere entwickeln Verständnis für meine Lage und reagieren mit ihrer Interpretation darauf.

Arbeit am Tabu, eine Faustregel für die verschwiegenen Themen unserer Gesellschaft und Kulturen
Themen der Scham und Grenzverletzungen behandeln: Ruhe schaffen und aufmerksame Teilnahme

Gute Aufstellungen stammen aus der Familientherapie: 

http://joker-netz.de/ewnforum.htm

sie sind kein fauler Zauber und brauchen keine diktatorische oder missionarische Bewertung

Annäherung an Tabus

Wenn die TeilnehmerInnen Statuen zum Thema Unterdrückung gestalten, ist ein Teil der Bilder sehr deutlich: offene Gewalt, Polizei, Terror. Die feinere Seite der Unterdrückung bleibt oft undeutlich - verwischt: Familienszenen, Schule, Kirche, Arbeit. Nicht nur, weil diese Unterdrückungserfahrungen gleichzeitig mit positiven Anteilen besetzt sind (im Beispiel der Elternliebe etwa: Gefordert-Sein, Glaube, Anerkennung), sondern auch, weil es nicht erlaubt scheint, naher an diese Themen zu gehen. Ein vom Vater sexuell belästigtes Mädchen kann nicht einfach davon erzählen ... Es ist ein Herausbrechen von kontroversen Gefühlen, Vaterliebe und Abneigung, die zu Selbsthaß in der eigenen Sexualität verdreht wird. Mit der Zeit habe ich versucht, die tabuisierten Themen zu systematisieren. Dabei kam ich zu einer Handvoll wichtiger Bereiche, aus der ich eine "Faust-"Regel der Unterdrückung ableitete:
Daumen: Sexualität. Wir haben kaum schöne Sprache dazu, kaum Worte, keine Lernorte (Familie?). Der beste Mißbrauch des Menschen: erotisch anheizen und dann frustrieren: setztsehr viel aggressive, selbstzerstörerische Energie frei (die Funktionsweise des Militärs), abgegrenzte Homoerotik in Männerbünden, Kirchen, Feuerwehr, Fußball ... und entsprechend in Frauenkreisen? Würden sich sexuell zufriedene Menschen zu so viel Unsinn (und Unsinnlichkeit) in Selbstzerstörung und Konsum mißbrauchen lassen?
Zeigefinger: Geld. Darüber spricht man nicht, Geld hat man. Geld verdirbt die Freundschaft, unser Umgang damit wird fast nie thematisiert. Privat. Bankgeheimnis. Wieviel wir erben, zu welcher Finanzklasse wir gehören. Schon das Wort Kapitalismus war vor seinem endgültigen Sieg nicht zu benutzen: Sofort war man als Kommunist verdächtig. Es heißt "freie Marktwirtschaft". Diskrete Honorarverhandlungen runden meine Arbeit ab.
Mittelfinger: Sinn des Lebens, Religion. Entweder im konfessionellen Fertigpack (Taufe, Einweihung, Hochzeit, Beerdigung) in den Ausgaben ev./kath./Isl./jüd./ ... oder in der mühsameren Do-it-your-self-Methode a-theistischer Sinnmodelle der Menschheit bis zum immer wieder aktuellen Absurden. Die Worte dazu sind durch Pfarrer belegt und verdorben; es gibt kaum Gesprächsorte außer der Telefonseelsorge, oder wo philosophieren Menschen miteinander ausser in Primitiv-Versionen am Biertisch?
Ringfinger: Krankheit und Tod. Wenn die letzten Fragen gestellt werden: Betroffenheit, Lähmung, wenn jemand von eigenem Krebs, Aids, HiV, Leukämie erzählt; die erschreckende Aura des Selbstmordes, die Jämmerlichkeit unserer Trauer und ihre lächerlichen Formen zwischen Nachricht, Beileid und Beerdigung. Spießerpomp und Trostgefasel. Das Wort "Trauerarbeit" im Munde aller gefühlsfreien Menschen; unser Selbstmitleid als heiligste Gemütsbewegung. Selten schön ein guter Abschied.
Kleiner Finger: Anders sein als andere und nicht dazugehören, Ausländer, arm, schwul, lesbisch, behindert, Frau im Mönnerbereich und umgekehrt, nicht leistungsfähig, unsicher. Punkte, in denen wir stillschweigend die Unterordnung erkennen, uns für minder halten.
Gemeinsame Eigenschaften aller Tabus: Es fehlt die Sprache, sie wirklich treffend anzupacken; gleichzeitig liegt eine Geschwätzigkeit der Ablenkung darüber. Paulo Freire verwendet die Begriffe "Mythos" und Kultur des Schweigens": Wir haben immer gute Gründe, nicht darüber zu reden. Wenn wir es trotzdem wollen, geht es nicht: Wir kommen vom Thema ab, werden unruhig, müssen rauchen,...

Wenn wir plötzlich müde werden, gähnen, Kopfschmerzen bekommen, wenn wir auf einmal wirklich nicht mehr wissen, was wir gerade wollten: dann haben sie gut gearbeitet, unsere Polizisten im Kopf